Internoto 33:1, pages 3-12
Am Standort von Notocactus concinnus Monville (Berger ex. Backeberg) auf dem Cerro de Montevideo
Bruno Knutti & Christian Hefti
In dieser Zeitschrift wurde der Cerro de Montevideo schon mehrmals als Standort von mehreren Kakteenarten erwähnt oder näher beschrieben. Wir möchten nun in diesem Beitrag unsere Beobachtungen weitergeben, die wir auf zwei unserer Südamerikareisen in dieser Region gemacht haben.
Der Cerro de Montevideo liegt am südwestlichen Rand der uruguayischen Hauptstadt und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet der Millionenmetropole. Der Hausberg der Hauptstadt wird gekrönt von der Fortalezza, einer Anfang des 19. Jahrhunderts erbauten Festung. Die Festung wird seit 1916 als Militärmuseum, dem Museo Militär Jose Artigas, genutzt. Magellan war bei seiner Weltumsegelung bereits auf dem Cerro und hoffte damals beim Anblick des riesigen Rio de la Plata, die ersehnte Durchfahrt zum Pazifik gefunden zu haben.
Die Randbereiche der Stadt fressen sich auch hier immer mehr den Cerro hinauf und doch sind hier einige interessante Kakteenstandorte erhalten geblieben, die wir hier vorstellen möchten.
Folgende Kakteenarten konnten wir bei unseren zwei Besuchen auf dem Cerro dokumentieren: N. concinnus (Monv). A. Berger ex. Backeb., N. mammulosus (Lem.) A. Berger ex Backeb.), N. turbinatus fa. schaeferianus (Abraham et Theunissen) Neduchal, N. sellowii fa., Frailea pygmaea (Speg.) Br. & R. und Opuntia aurantiaca Lindley.
Cornelius OSTEN erwähnt in den Notas sobre Cactaceas 1941 als Standort von Echinocactus concinnus Monv. „Montevideo, an felsigen Stellen am Ufer des Rio de la Plata und Punta Gorda" und schreibt zudem „Sehr häufig am Rio de la Plata, in der Nähe von Montevideo (Cerro, Punta Gorda, Punta Brava usw.) an Humusstellen zwischen den Felsen (Granit)".
Pflanzen, die in grossen Teilen der Beschreibung von N. concinnus entsprechen (die Beschreibung entnehme man bitte der Website www.notocactus.eu), wurden von mehreren Feldläufern an verschiedenen Plätzen im Süden von Uruguay gemeldet. Unter anderem bei Picada de Benitez, Rosario, Soca und Tarariras (alle im Dept. Colonia), Pan de Azucar, San Carlos (Dept. Maldonado) sowie Trinidad (Dept. Florida). Als Vertreter des Standortes Cerro de Montevideo seien folgende Funde genannt: Gf 738, H 68, HU 1451, HR 62, KH 967, LB 2802, PR 75, WRA 149.
Die Population auf dem Cerro de Montevideo scheint uns nicht mehr sehr groß zu sein. Wir haben die Pflanzen (KH 967) bei felsigen Stellen, in reichlich Humus stehend, gefunden. Sie wachsen zusammen mit vielen krautigen Pflanzen. Im November 2000 stand uns das Glück bei und wir konnten die Pflanzen in blühendem Zustand in voller Anthese dokumentieren. Wie in der Literatur beschrieben, blühten die Pflanzen in herrlichem Dunkelgelb mit stark ausgeprägten roten Spitzen der äußeren Petalen.
Verblüffend ähnliche Pflanzen fanden unter der Feldnummer KH 453 registrierten, wachsen auch hier etwas geschützt bei und zwischen Steinen in der Wiese, in starker Konkurrenz mit vielen Moosen und Kräutern. Hier fanden wir die Pflanzen zusammen mit N. ottonis (Lehm.) A. Berger ex Backeb., N. erinaceus (Haworth) Krainz, Gymnocalycium hyptiacanthum (Lem.) Br. & R. und Frailea pygmaea.
Einen weiteren Standort konnten wir in der Nähe von Pan de Azucar als KH 751 registrieren, ebenfalls den Pflanzen auf dem Cerro sehr ähnlich. Den Standort teilen sie mit wir 1998 in der Nähe von San Carlos N. neoarechavaletae (K. Schum. ex im Departement Maldonado in ebenem Speg.) Havlicek, N. scopa (Spreng.) Gelände. Die Pflanzen, welche wir A. Berger ex Backeb., Frailea pygmaea, und Gymnocalycium hyptiacanthum. N. concinnus mit etwas weniger . flachem Wuchs fanden wir bei Soca (KH 427) in der Nähe des Arroio Mosquitos in einem steinigen und felsigen Gelände, in Gras eingebettet und teilweise von diesem bedeckt. Die Pflanzen weisen stärkere, längere und mehr gewundene Mitteldornen auf im Vergleich zu den Pflanzen vom Cerro. Zudem sind diese im Neutrieb rot bis sogar dunkelrot gefärbt, verlieren die rote Färbung aber weniger rasch als die Pflanzen auf dem Cerro. Die Blüte ist hellgelb mit nur einem feinen roten Mittelstreifen auf den äusseren Petalen. Lediglich wenige Perianthblätter zeigen deutlich rote Spitzen. Erwähnenswert ist zudem, dass sowohl die Narben als auch der Griffel bis oben rot gefärbt sind, wobei der Fuß des Griffels ein intensiveres Rot aufweist. Die Begleiflora aus dem Reich der Kakteen ist hier ebenfalls vielfältig. Wir konnten N. erinaceus, N. sellowii (Link & Otto) Theun., N. mammulosus var. mit extrem langer, starrer und dichter Bedornung sowie Gymnocalycium hyptiacanthum dokumentieren.
Nun aber wieder zurück auf den Cerro Montevideo. Zusammen mit N. concinnus wächst hier auch N. turbinatus fa. schaeferianus (W. R. Abraham et Theun.) Neduchal auf einem grösseren Areal (KH 965). Diese Pflanzen der Gruppe Malacocarpus oder Wigginsia bevorzugen flache Stellen zwischen Steinen und Felsen, wo sie sich in die Humusschicht oder ins Moos zurückziehen können. Bei unserem Besuch im November haben sich die Pflanzen flach praktisch bodeneben zurückgezogen. Typischerweise verlieren die größeren Pflanzen die Bedornung vollständig am Standort, auch wenn einzelne Pflanzen noch Reste von 2 bis 3 Randdornen zeigen. Die Rippen weisen die typische Verdickung bei den Areolen auf. Interessanterweise wiesen alle Pflanzen, die wir studiert hatten 13 Rippen auf. Dies trifft sowohl auf Pflanzen am Standort mit einem Durchmesser von 6 bis 8 cm als auch auf Nachzuchten in unserer Sammlung von 5 cm Durchmesser zu. Voll ausgewachsene Exemplare mit einem Durchmesser bis 12 cm konnten wir nicht finden.
Wir möchten an dieser Stelle einen Auszug aus der Erstbeschreibung, die ABRAHAM und THEUNISSEN vor 24 Jahren in INTERNOTO für Wigginsia schaeferiana veröffentlicht haben, wiedergeben:
Körper bis 3 cm hoch bei 12 cm Durchmesser, der Scheitel ist eingesenkt, von einer 5 cm breiten und bis 1 cm hohen Wollschicht bedeckt. In der Jugendform sind die 8 bis 10 Rippen noch scharf und gerade verlaufend, zum Körper hin gebogenen Dornen und einen nach unten gerichteten Mitteldorn. Bei jungen Pflanzen sind die runden Areolen nicht eingesenkt, die Rippe ist hier nicht verdickt. Im Alter reduziert sich die Zahl der Dornen auf 2 oder 3. Sie sind zum Körper gebogen und weisen nach unten. Die Dornen sind 3 mm bis 6 mm lang, weißgelb und bräunlich gespitzt, Im Alter hat die Art 16 bis 18 Rippen, die leicht gedreht sind. Um die Areolen sind die Rippen verdickt. Die Rippen sind zwischen den Areolen nur bis 2 mm vertieft. Die jungen Areolen alter Pflanzen sind bis 5 mm breit mit bis zu 15 mm langen Filz bekleidet. Die Areolen werden schnell kahl und sind dann nur noch 2 mm breit.
Blüten sind 30 bis 35 mm lang, schwefelgelb bis weißlich, Receptaculum 20 mm lang, oben 15 mm breit, locker bedeckt mit fleischfarbenen Schuppen, die 1,5 mm breit sind mit brauner Spitze. In den Achseln eine bis 5 mm lange braune Borste, eingehüllt in weißer Wolle, die oben am Receptaculum braun wird. Äußere Perianthblätter, 2 mm bis 3 mm breit, 10 mm lang mit gehakter brauner Spitze. Innere Perianthblätter 3 mm bis 5 mm breit, 18 mm lang, lanzettförmig, unten schmaler, Spitze ausgefranst, eingesenkt und gezähnt, schwefelgelb. Die Perianthblätter überlappen nur wenig, so dass die Blüte in der Mitte nicht geschlossen ist. Der Griffel ist 21 mm lang, 1 mm dick cremeweiß, mit etwa 8 Narbenstrahlen bis 2mm lang. Schmutzig rot wenig gespreizt. Staubblätter goldgelb, untere 7 mm obere 6 mm lang, Staubbeutel sind schwefelgelb 0,7 mm lang, eiförmig, inseriert bis 3 mm unter den Rand des Saumes, berührungsempfindlich. Nektarrinne 1 mm tief. Röhre innen untere 5 mm karminrot, Fruchtknoten 3 mm lang, 4 mm breit, bedeckt mit viel weißer bis 13 mm langer Wolle. Die Blüten sind selbstfertil. Sie öffnen bei Sonne gegen 10 und schließen gegen 16 Uhr. Die Frucht ist an der Spitze 8 mm breit, 20 mm lang, keulenförmig, dunkelrot bis rot, und erscheint etwa 3 bis 4 Monate nach der Blüte aus dem bewollten Scheitel. Sie reißt seitlich ein, zerfällt und vertrocknet innerhalb weniger Tage nach dem Erscheinen. Die Früchte enthalten 30 bis 70 Samen.
Samen: helmförmig, 1,1 mm lang, 1,0 mm breit, Testa schwarz, glänzende mit brauner sich in großen Fetzen ablösender Arillushaut und unregelmäßigen, sehr flachen, konkaven Zellen, die Antiklinikalgrenzen erhöht, Zellenoberfläche faltig, der Hilumrand ist vorgewölbt, das Hilum ist flach, die Strophiola cremefarben und die Mikropyle als flache Erscheinung zu erkennen, während der Umbilicus als breiter Zapfen leicht erhaben ist.
Habitat: Im Stadtgebiet von Montevideo auf 50 m Höhe über dem Meer. Die Pflanzen wachsen dort zwischen Felsen in einem Substrat, das einen pH-Wert von 5.2 hat, zusammen mit N. mammulosus (Lem.)A. Bergerex Backeb.. Wenn die Gräser vertrocknet sind, schattieren sie die Wigginsien nicht mehr und diese verfärben braun. Holotypus WRA163 hinterlegt im Sukkulentarium der Universität Köln.
Anmerkungen: Das erste Fundgebiet bei einer Sägerei wurde schon vor Jahren überbaut. Einige Pflanzen waren als spec. Assarad verbreitet. Gleichaussehende Pflanzen kommen neben dem Cerro de Montevideo auch bei Piriapolis vor. An den meisten Standorten kommen auch noch andere Arten der Untergattung Malacocarpus vor. Konrad HERM hat das Taxon in die Nähe von N. turbinatus (Arech.) Krainz gerückt, denn es gibt keine relevanten Unterscheidungsmerkmale zu N. turbinatus, wie man ihn bei Acegua, Treinta y Tres und Trinidad sehen kann. Jozka NEDUCHAL hat im Jahre 1999 das Taxon in einer tschechischen Publikation zur Form von N. turbinatus umkombiniert.
An anderen Stellen auf dem Cerro konnten wir noch eine zweite Wigginsia finden, die weniger flach wächst und mehr Dornen aufweist. Wir haben diese unter der Feldnummer KH 422 registriert. Diese Pflanzen zeigen in der Mehrzahl 5 Rand- und 1 bis 3 Mitteldornen. Dabei ist der untere stärker und länger und die beiden oberen nur kurz und nadeiförmig. Diese Pflanzen ordnen wir eher N. sellowii oder einer ihrer Formen zu.
Wir möchten hier noch zwei weitere Standorte von Pflanzen vorstellen, die wir als N. turbinatus ansehen. Der erste befindet sich ca. 70 km weiter östlich in der Nähe von Piedras de Afilar immer noch im Departement Colonia im hohen Gras in einer Weide. Die Pflanzen wachsen hier in der Wiese in viel Erde und haben dementsprechend auch mehr Nährstoffe zur Verfügung, was ihnen einen grösseren Wuchs verleiht. Hier haben wir gesunde Pflanzen mit 16 bis 18 Rippen bewundert. Auch hier verlieren die älteren Exemplare die 3 Randdornen und werden mehr oder weniger kahl.
Der zweite Standort liegt nördlich von Trinidad im Departement Flores, wo wir die Pflanzen in offenem Gelände bei Steinen in einer Wiese fanden. Im Habitus konnten wir keinen Unterschied zu den Pflanzen auf dem Cerro de Montevideo ausmachen. Obwohl wir die Blüten und die Wurzelbildung (Rübenwurzel oder nicht) nicht im Speziellen untersucht haben, sind wir der Überzeugung, dass all diese Pflanzen ein und derselben Art zugehörig sind.
Als Freunde der Gattung Frailea war es nahe liegend, dass wir uns auf dem Cerro auch nach Fraileen umschauten. An mehreren Stellen sowohl in der Wiese, als auch mehr geschützt bei Steinen im Moos konnten wir Frailea pygmaea (Speg.) Br. & R. studieren. Diese Pflanzen wurden von FRIC als Echinocactus dadakii Fric ex A. Berger bezeichnet.
Innerhalb der Gattung Frailea hat F. pygmaea das grösste Verbreitungsgebiet und besiedelt ganz unterschiedliche Standorte in Uruguay, Rio Grande do Sul and im argentinischen Grenzgebiet (Provinz Entre Rios). Das ist der Grund, weshalb sich eine ungeheure Vielfalt an Varietäten und Formen herausgebildet haben. Die Pflanzen auf dem Cerro zeigen die typischen Merkmale einer F. pygmaea und eine Abgrenzung als eigenständige Varietät ist nicht angezeigt. Somit kann der Name dadakii verworfen werden. An vielen Standorten hauptsächlich im Süden von Uruguay haben wir gleiche oder sehr ähnliche Pflanzen finden können. Dieser Typ ist also keineswegs auf den Cerro bei Montevideo begrenzt.

F. pygmaea KH 421 (oben) und KH 966 (unten) am Standort auf dem Cerro de Montevideo

Ganz in der Nähe dieser Fraileen konnten wir auch ein paar Exemplare von Opuntia aurantiaca Lindley gut versteckt im hohen Gras ausfindig machen. Die Pflanzen stützen sich in der Vegetation oder kriechen am Boden und erweisen sich bei Berührung als sehr anhänglich. Diese Opuntia scheint ein großes Verbreitungsgebiet über Uruguay hinaus bis nach Argentinien und Paraguay zu haben. Bei Valle Eden im Norden von Uruguay konnten wir diese Pflanzen ebenfalls entdecken.
Alle Bilder stammen von den Verfassern mit Ausnahme des letzen Bildes auf Seite 12, das wir der INTERNOTO Diathek entnommen haben. Wir möchten es an dieser Stelle nicht versäumen, Wolfgang PRAUSER für bereitgestelltes Material, Norbert GERLOFF für zur Verfügung gestelltes Material und die Durchsicht des Manuskriptes sowie Alan BUTLER für die englische Übersetzung herzlich zu danken.
Bruno Knutti & Christian Hefti,
Reservoirstrasse 130, 4247 Grindel, Schweiz,
christianhefti@bluewin.ch
Summary
Bruno KNUTTI and Christian HEFTI report on their Visits to Cerro de Montevideo and some nearby places. In summer 2000 they found some plants in flower and were able to document them. The following species were covered in detail: N. concinnus (Monv.) A. Berger ex Backeb., N. turbinatus fa. schaeferianus (Abraham et Theunissen) Neduchal and Frailea pygmaea (Speg.) Br. & R..
Translation by Alan Butler
Literatur:
ABRAHAM W.R. und THEUNISSEN S. (1988): Erstbeschreibung: Wigginsia schaeferiana Abraham et Theunissen spec. nov. - INTERNOTO 9 (1) 21 - 25 HAVLICEK R. (1988): Umkombinierung der Wigginsia schaeferiana Abraham et Theunissen - INTERNOTO 9 (2) 39
HERM K. (1992): Notocactus turbinatus (Arech.) Krainz - oder warum Notocactus schaeferianus (Abraham et Theunissen) Havl. keine eigenständige Art ist - INTERNOTO 13 (3) 93 - 99
THEUNISSEN S. (1995): Zu den Wurzeln zurück (32) - INTERNOTO 15 (1) 18 - 19
PRAUSER W. (2001): Die Pflanzengruppe der Setacei, Teil II: Taxonomische Neubestimmungen - INTERNOTO 22 (1) 3 - 18
GARABELLI G. (2009): Kakteen der La-Plata-Küste, Teil 2 Cerro Montevideo - INTERNOTO 30 (2) 27 - 33